Freitag, 27. März 2009

XXALPS 2004 -7-




Freitag, den 26.August
Verzockt, könnte man sagen. Ich schaff den Anstieg nach Val d’ Isere nicht am Stück. Unterwegs muss ich den andauernden Sekundenschlafanfällen Tribut zollen und anhalten. Mit Himbeersirup das Gehirn “einzuckern” und mit einem knappen Liter Cola nachspülen - eigentlich müssten wir das dann voll schaffen. Jawohl. Da steht auch schon das Wohnmobil !

Rein in die Heia ! Eine Stunde und vierzig. Das ist zwar lang, angesichts dessen was heute noch auf dem Programm steht aber sicher auch nötig. Eiseskälte draußen. Nun gut Val d’ Isere liegt ja auch schon ordentlich hoch. Es ist eine Freude in den Tag hineinzufahren. Der Tretrhythmus ist wieder sehr gut und auch ein kurzer Stop zum Pinkeln bringt ihn nicht durcheinander. Ganz oben gilt es noch ein paar heikle Situationen beim Überqueren der Schmelzwasserstreifen ( sind zu Eis erstarrt - längst sind wir oberhalb der Schneegrenze im Frostbereich ) zu meistern.





Die Aussicht - der blanke Wahnsinn ! Das ganze Tal liegt um kurz vor sechs Uhr morgens noch in der Finsternis, jedoch mit violettem Licht geheimnisvoll illuminiert. Kitschig könnte man sagen, unwirklich würde auch passen - aber eigentlich ist das der Lohn den ich mir durch das doch sehr anstrengende Bergwärtsgestrampel verdient habe.

Schnell noch ein paar Fotos geschossen - mit dem legendären Wegzeiger. Aufgrund der Wettersituation - Glatteis durch Schmelzwasser dürfen wir, wie alle anderen Fahrer auch bis zum Kilometer 4,1 ins Auto. Diese Harakiriabfahrt bis zur Schneegrenze ist uns also zum Glück erspart geblieben. Nur, für mich und das Rad hat es im eh schon bis zum Dach vollgestopften Pacecar keinen Platz mehr.




Wir lösen das wie eigentlich immer alles auf der langen Fahrt zum Mittelmeer sehr praxisnah. Rad mit Nachdruck hinten reingeschoben - Sabine zieht den kopf ein - Wir drei drücken uns vorne rein. Ich ziehe ob einer Temperatur von deutlich unter Null Grad und der über 20 km langen Abfahrt einfach so ziemlich alles Warmes an was zu finden ist. Wir fegen ins Tal.




Unten angekommen brauch ich dann doch noch ein 10 Minuten Schläfchen - und die Lebensgeister sind wieder erwacht. Auto tanken - Rainer derweil vorfahren.So die Taktik auf den nächsten Kilometern. Ganz unten in St. Michel de Maurinienne angekommen halte ich an einem Klohäuschen vor der Auffahrt zum Col de Telegraphe - schon rauscht der rote Wagen vorbei - was soll denn das ? Sie haben mich auf den letzten Drücker noch gesehen und wenden. Der “Spinnenhose” ,einem grausig anzuschauenden Regenhosenmodel zum Dank.( war wahrscheinlich gerade deshalb so preiswert ).



Wahnsinn, frische Croissants, wie ich das liebe ! Gleich deren mehrere wandern in meinen Magen, garniert mit Nutella und Erdnussbutter.
Wie neugeboren fahre ich scheinbar ohne Grenzen den Telegraph hinauf und “versäge” diverse Touristiker. Wo die Kraft nach knapp einer Woche Nonstopfahrt herkommt verschließt sich unserem Verstand und ist gerade deshalb immer wieder ein Phaszinosum. Man muss es eben mal erlebt - und noch besser erfahren haben - wörtlich. Eine Stunde später ist der Col erreicht und wir erfahren dass Valentin nicht mehr als eine halbe Stunde vor mir liegt. Er hat eben jetzt eine Möglichkeit gefunden seine Zeit “wegzuwerfen”. Eigentlich findet jeder in solch einem Rennen sein Plätzchen dafür.


Die Baustelle am Galibier hält eine ganze Schlange von Autos auf. Ca. 10 Fahrzeuge weiter vorne steht auch Valentin - er ist ziemlich angekratzt. Wir tauschen kurz unsere Erfahrungen aus, dann ziehe ich auf und davon. Es ist eine Freude. Auch meinen Namen immer wieder auf die Strasse gemalt zu sehen “törnt” mich richtig an.


Oben angekommen haut es einem fast die Luft weg. Der Blick bei makellos blauem Himmel auf die frisch verschneite Dauphinee ist super. Gerne denkt man da daran zurück, selbst einst auf diesen Eisriesen gestanden zu sein. Nudelsuppe, Cola, Obst, Umziehen - kurz : Volles Programm. Das Wohnmobil schließt auf. Alle sind wir auf diesem großartigen Fleckchen glücklich wieder vereint.




Wir rüsten schon zur Abfahrt als Valentin ziemlich angeknockt oben ankommt. Der ist weg, sagen wir, oder hoffen wir. Jedoch im Extremradsport ist eben so ziemlich alles ein klein wenig anders als der Verstand es einem weismachen will ! Wir werden es noch zu spüren bekommen.


Die Abfahrt nach Briancon hinunter ist ein anerkannt guter Hit. Schön, kurvig, aber nicht eckig, nicht allzu holprig und - noch besser - superschnell. Gerne macht man sich da nochmals ein bisschen kleiner um auch ja das letzte Kilometerchen noch mehr auf den Tacho zu bringen. Flugs geht das Ganze aber vorbei und jetzt auf, rauf zum Izoard. Die Größen Bartali und Coppi schon haben hier Ihre legendären Schlachten bei der Tour de France geschlagen.


Unterwegs passieren wir das nächste Teilziel . 2.000 km liegen jetzt hinter uns !!! Dieser Pass ist die reine Freude ! Schreien könnte ich. Auf der Passhöhe bekomme ich eine Salbung - mit Sonnencreme. Kaum Verkehr. Vor den Abfahrten in Frankreich hatte ich im Vorfeld schon mehr als nur Respekt. Aber, bis jetzt: prima Asphalt, kein Verkehr, der pure Genuss. Auch hier.
Vor der Auffahrt zum Vars genieße ich noch eine Massage der Beine und der Fußsohlen - und gönne mir eine Riesenschüssel frischen Obstsalat. Erst als die Skistation passiert ist offenbart sich die Schönheit der Hochgebirgslandschaft auch an diesem Pass. Doch, der Vars ist eben nur Zwischenstation vor dem Königspass, dem Bonette, dem höchsten Pass der Alpen ( 2802 m ).
In Jaussiers, am Fuße des Bonette wird nochmals ausgiebig gemampft. Dann nehmen wir im Abendlicht den Riesen ins Visier. Endlos geht es nach oben. Immer tiefer sinkt die Sonne und taucht immer mehr der umgebenden Landschaft ins Orange.


Der Wanderlust einiger vieler Schafe müssen auch wir uns beugen und kurz mal anhalten um sie die Strasse passieren zu lassen. Die Strasse ist nicht einfach als Rampe in den Hang hineingekleistert sondern schmiegt sich mit ihren kleine Kurven,. Rampen und Schleifen perfekt in die Landschaft ein. So stellt man sich im Traum eine Passtrasse vor. Besser geht es nicht.



Die Sonne ist jetzt auch untergegangen. Im letzten fahlen Licht erreichen wir die Gipfeltraverse - und stehen ganz oben und sehen auf all die vielen Hügel, all die vielen Dörfchen, all die vielen Menschen in den Tälern, welche wir aber nicht sehen , sondern nur erahnen, herab. Der Erden-Realität entrückt, könnte man dieses Gefühl auch nennen.







Welch ein Abschluss dieses Tages: Im ersten Tageslicht auf dem zweithöchsten Pass, dem Iseran, im letzten Licht auf dem höchsten Pass, dem Bonette. Dazwischen noch eben mal geschwind den Telegraph, den Galibier, den Izoard und den Vers “vernascht“. Sprachlos, ja, das sind wir jetzt. Und glücklich. Aber am Ziel noch nicht.
Über viele, viele Kilometer geht es jetzt bergab.
Es ist klar ob der Tatsache, dass wir noch 2 Tausendmeteranstige zu meistern haben, dass das bis ins Ziel nach Roquebrune nicht ohne eine weitere kurze Schlafpause abgeht. Da ist ja auch noch die Frage offen: Wo ist Valentin ? Von der letztjährigen Veranstaltung glauben wir gelernt zu haben - Ausgeruht ist man leistungsfähiger. Wir setzen die Schlafpause jetzt am Fuße des Bonette.

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