Freitag, 10. April 2009

Interview "Ab durch die Mitte"

Nach meiner Rückkehr aus der Klinik - der Sportklinik in Bad Cannstadt - zeichnete Sabine, die als Mitglied meiner drei-köpfigen Hauptcrew (bestehend wie bereits schon erwähnt aus Alexandra, Jürgen und eben ihr) dieses Interview als Basis Ihres Artikels (sie ist Redakteurin bei der Tageszeitung Rheinpfalz) auf - hier der Wortlaut:


1) Was hat Dich während Deines Rekordversuchs in Australien – positiv wie negativ – am meisten beeindruckt? Was hat Dich überrascht (z.B. der raue Asphalt, der starke Gegenwind, die vielen Kaugummi-Hügel, die netten Australier …)
beeindruckt: die Einsamkeit des Menschen in der unendlich, so scheint es, ausgedehnten Landschaft.
Genervt hat natürlich der ganz anfangs starke Verkehr.
Die Variationen des Lichtes , vor allem während der Dämmerung war sensationell.

Überrascht: mit rauem Asphalt habe ich gerechnet, die Größe der „vergossenen“ Kiesel im Flüssigbitumen war wie erwartet – die Scharfkantigkeit jedoch nicht. Es ist noch bescheidener gerollt als vermutet. Zum Glück hat das sehr gute Reifenmaterial gehalten.
Wind war wie erwartet relativ stark am Tag. Das Abflauen hat ja gezeigt, dass es sich vorwiegend um tageszeitliche und lokale Windphänomene gehandelt hat, die ich auch erwartet, bzw. auf die ich spekuliert habe – da liegt ja dann die Wahrscheinlichkeit ganz einfach bei 50 % von vorn und 50 % von hinten – dumm nur dass es von Anfang an gleich von vorne blies. Das Einschlafen – zur Gänze – des Windes hätte ich jedoch nicht vermutet.
Die „Kaugummihügel“ waren die Rettung. Es ist für mich viel einfacher auch mal bergauf fahren zu dürfen, als wirklich nur in der Ebene zu treten. Das hat sicherlich zu dem doch ganz guten Vorankommen beigetragen. Ich hatte auf dem Rad ja nicht so viel Kontakt zu den Menschen – den, den ich hatte war jedoch sehr angenehm. Die Menschen sind schon hilfsbereit – den Arzt und die Klinik, das ist eine ganz andere Geschichte.
2) Wie bist Du auf die Idee gekommen zu diesem Rekordversuch? Der Rekord ist eigentlich doch sehr unbekannt.
Ich bin Gerry Tatrai schon mehrfach „über den Weg gelaufen“, und mag ihn auch - und vor allem schätze ich seine sportlichen und menschlichen Qualitäten. Aber schon zuvor hat mich die Idee immer begeistert etwas Ganzes, etwas Großes zu tun.
Es ist einfach eine Linie, welche einer geographischen Logik entspricht. Ein Land, ein Kontinent, hier auch noch eine riesen Insel, gleich mit einem Linial gezogen, zu durchqueren – das „Objekt“ also quasi mit den Reifen „auseinanderschneiden“ – einfach grandios.
Du hast einen „Entdeckerauftrag“ beim Fahren – im Land, in seine unwirtliche Mitte vorzudringen, und auch wieder diese Mitte zu verlassen- am Besten mit Erfolg.
Ins Ungewisse fahren und wieder aus der „Höhle“ herauszukommen.
Ob etwas bekannt ist oder nicht liegt ja eigentlich nur daran, dass darüber niemand spricht. Was mich persönlich nicht so arg abschreckt etwas zu wollen. Ich unternehme die Dinge ja zu aller erst mal um selbst persönlich einen Nutzen daraus zu ziehen.



3) Ich habe leider nach dem Unfall nicht mehr auf Deinen Tacho geschaut. Weißt Du noch Deinen Schnitt?
Da haben wir unterwegs leider mal gelöscht. Der Autotacho hat gemeint 1280 km , der Radtacho, der geht allerdings genauer (Radumfang 2,104 m des montierten Schlauchreifens auf dem Lightweight Rad – ausgemessen, indem ich das Rad mit dem auf 8 bar aufgepumpten Reifen 10 mal abgerollt habe / der Drahtreifen von Conti hat einen anderen Umfang !!), war bei 1014 km + dann nochmals 302 km angelangt , also 1316 km – der Nettofahrtschnitt war 27,79 km – also nicht gerade umwerfend. (ok. Es hat auch unangenehm gewindet)


4) Wie ist es zu dem Unfall gekommen (was war es für ein Tier)?


Von links „fliegt“ ein hell bis mittelbraunes „Etwas“ heran, klatscht gegen den vorderen Rand der Felge, und dreht diese in einem Satz um. ...Ich falle links nach vorne über den Lenker mit der Schulter auf den Boden. Die Einheimischen ( die Polizisten und die Nurse ) in Ti Tree haben das Tier aufgrund meiner Größenangabe und der Farbe für eine Wildkatze eingestuft.


5) Angenommen, Du hättest den Rekord geschafft. Was bringt es Dir?
Nur dass ich den Satz sagen kann: Ich habe diesen Rekord. Meinem Umfeld bringt es mehr. Man macht mit solchen Dingen ja auch Werbung.
Persönlich steht für mich das Erlebnis immer im Vordergrund – da ist es unerheblich, ob man etwas schafft oder nicht. .
Was für mich aber auch immer ein bisschen wichtig ist – kann ich einen Rekord setzen, dann kann ich sagen : auch ich habe am Rad der Menschheitsgeschichte ein klein wenig gedreht – wenn es auch nur der vermutlich vollkommen irrelevante Teil der Radsportgeschichte ist. Ich habe dann also dafür gesorgt, dass sich die Menschheit“ weiterentwickelt“...und das ist stark, gibt es einem doch das Gefühl nicht einfach nur ein ganz kleines Zahnrädchen in dem riesigen Getriebe der menschlichen Gesellschaft zu sein.


6) Allen, denen ich von Deinen Extremtouren erzähle, wundern sich, dass Du mit so wenig Schlaf auskommst (wie „wenige“ Minuten waren es in den drei Tagen in Australien? Habe leider keine Kopien vom Roadbook). Wie kompensierst Du den Schlafentzug?
Wir haben insgesamt bis zum Crash 2 Stunden geschlafen. Nach ca. 600 km mal 15 min dann einmal der richtige Schlaf in der 2. Nacht nach knapp 42 Stunden ( hier den vollen Schlafzyklus von 1 h 30 ) dann nochmals 15 min am frühen Morgen des 3. ten Tages.
Du weißt ja, dass ich eher zu den „Vielschläfern“ unter den eher starken Radlern zähle – allerdings auch meist nur ca. 1 h 30 pro Nacht schlafe – ich brauche dann jedoch noch den einen oder anderen Powernap von ca. 5 – 15 min.(Das Roadbook habe ich von Jürgen erst kürzlich bekommen und muss es noch abschreiben und auswerten – schick ich Dir dann als Exeltabelle – rechne bitte mal erst so gegen Ende der Woche / Anfang nächster Woche damit).
Unterwegs kann man den Schlafentzug nicht kompensieren. Man muss ihn einfach aushalten! – manchmal gelingt das besser – das hat hauptsächlich psychische Gründe , welche aus der augenblicklichen Situation heraus resultieren. Was Wunder, dass die Crew sooooo wichtig ist!
Es fällt einem unterwegs mindestens genauso schwer nicht einzuschlafen , wie wenn man einfach so eine Nacht durchmacht etc.


7) Wie lange wirst Du aufs Radfahren verzichten müssen? Wirst Du den Rekordversuch noch einmal wagen? Wenn ja, wirst Du dann etwas anders machen?
Ich hoffe, dass ich diese Woche wieder auf die Rolle kann – die Beweglichkeit des Armes ist wieder so, dass ich de Lenker erreichen kann. Dann nächster Woche ( nach 6 Wochen – OP , und ca. 7 Wochen nach dem Unfall) bekomme ich entweder wieder das OK oder eben nicht. Gehen würde es vermutlich schon – allerdings ist das Risiko, dass die äußersten Schrauben in den Bändern und den äußeren Splittern ausreißen, schon anfangs jetzt noch groß – also lieber gemach, gemach.
Laufen kann ich ja wieder, da die Rippen sich bessern. Laufe seit ca. 10 Tagen jeden Tag 14 km, jetzt diese Woche wird auf 20 km / Tag aufgestockt.
Könnte mir ganz gut eine Wiederholung des Versuches vorstellen – zumal auch die Finanzierung gesichert ist. Ob ich allerdings nächstes Jahr schon das Ganze anpacke – warten wir ab, wie gut der Genesungsprozess sich vollends anbahnt. Eins ist klar geworden dort Down Under – Alle müssen, vor allem der Radler, super in Form sein – das „Ding“ dort unten ist nämlich eine ganz harte Geschichte – was Wunder dass auch Gerry nur knapp über 500 km am Tag „heruntergerissen“ hat ( beim RAAM waren das bei ihm schon mal im Bereich von 570 km pro Tag, trotz der Berge der Rockies !!! )
Dann brauche ich natürlich auch eine Crew. Und die sollte doch bitte ein bisschen größer sein! Sonst ist es für die Begleiter ja unendlich brutal. Kurz gesprochen. Ich möchte dann mit 4 oder 5 Leuten auf die Reise gehen, und bitte dann mit Leuten von der „Qualität“ von Euch!!!!!
Kannst Dir ja überlegen......
die Begleitmannschaft beim Rekordversuch 2006

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