Freitag, 13. März 2009

TNT Tour of North Texas 1994

Tour of North Texas, das Debut als Ultramarathon Cyclist

Vom ominösen, und weit im Bereich des Unmöglichen liegenden RAAM, Race Across Americo, entfernt wollte ich meine Neugier denn doch befriedigen: Was zeichnet um Himmels Willen denn diese Fahrer aus, welche solche Monsterrennen zu absolvieren in der Lage sind ?

Vor 2 Jahren hatte ich erstmals Hoffnung geschöpft eines Tages womöglich selbst dazu befähigt zu sein. Mein Ritt von Darmstadt über das Taubertal, die Ostalb heim auf die Alb über 427 km, welchen ich in brutto knapp über 14 Stunden samt Gepäck absolvieren konnte ließen erahnen, daß es auszuprobieren zumindest ein Versuch Wert sein sollte.

Den RAAM Qualifier in Amarillo, Texas über 583 Meilen Nonstop habe ich mir darauf hin für mein Vorhaben, nicht auch zuletzt aufgrund des für mich beruflich passenden Termins von Ende April ausgesucht.

Bei meiner Ankunft in Albquerque, NM traute ich meinen Augen nicht. Es schneit und stürmt ! Hatte ich doch , aufgrund von Klimastatistiken mit Hitze gerechnet. Der strenge und wechselhafte Winter im Vorfeld sorgte jedoch wohl eher für eine Gewöhnung an winterliche Verhältnisse - ich mußte seither immer mit dem Bike fahren, das Rennrad hatte ich nur am Wochende zuvor aus der Garage geholt.

Am Freitag morgen, 7 Uhr stehen wir, meine 15 Mitstreiter und ich, dann am Start in Canyon, einem kleinen Universitätsstadtchen, ca. 40 km südlich von Amarillo. Eins ist mir jedoch gleich klar, Ultramarathon Cycling ist immer auch eine Materialschlacht. Vans mit Regalen, Betten, massenweise Ersatzequipement, Riesen Begleitmannschaften, da nehmen wir uns regelrecht mickrig davor aus.
Zusammen mit Nick Gerlich dem Organisator ist es mir gelungen vor Ort 2 Studenten aus der Nähe aufzutun, welche sich bereit erklärt haben mein kleines Auto zu fahren und mir in den folgenden 2, 3 (??) Tagen Support zu geben. Einer aus "rural Texas" der Andere aus Kansas, die Verständigung war nicht so einfach bei diesen Dialekten.
Vom Radfahren hatte beide keine Ahnung, sie wollten eben mal die Umgebung ihrer Unistadt kennenlernen. Auch Sporternährung war bei uns nicht angesagt - nun, erstens lagen mir keine Erfahrungswerte damit vor, zweitens wo hätte ich denn in der kurzen Zeit vor dem Start, noch dazu in einem fremden Land all das Zeug auftreiben wollen.

In Bananenschachteln verpackt stapelten sich somit überall im Auto an jedem nur erdenklichen Platz Kleider und Lebensmittel, wie Kekse, Cookies, Klebrige Zuckergebäckstücke, Colaflaschen, Säfte, Marschmellows, Gummibärchen etc.

Es konnte also beginnen. Bei stark bewölktem Himmel und ca. 10 Grad geht es los. Ich bin aufgeregt und rolle erst mal langsam mit. Schnell wird klar, so schnell fahren die Anderen auch nicht und ich nehme das von mir angestrebte Tempo auf: so wie immer, nur einen Zacken"dünner".

Knapp eine halbe Stunde im Rennen beginnt es dann doch zu regnen, zuerst leicht, dann immer schlimmer. Ich laße mich mal einfach nassregnen und fahre weiter. Noch geht es mir ja gut. Ich überhole dabei Fahrer um Fahrer. Alle verpacken sich in die neuesten Gore Tex outfits. Mich überkommt Freude. War es doch erklärtes Ziel meiner Mission hier mal zu sehen wie und ob ich das meistern kann und mir von all den Stars dann Autogramme zu holen.

und nun, da der Regen langsam aber sicher in Schnee übergeht liege ich an der ersten Zeitstaion in Channings nach 65 Meilen, am Nordwestlichsten Zipfel der Riesenrunde durch den Panhandle von Nord Texas an 2. ter Position


Die Kälte und Nässe setzt mir aber stark zu. Weder die Arme, geschweige denn die Füße lassen sich noch vernünftig bewegen. ich muß mich trockenlegen und aufwärmen. die ganze Prozedur dauert auch gleich über eine halbe Stunde den halb steif gefrorenen Rainer auf dem klo der dortigen Tankstelle in ein angemessenes Expeditionsoutfit zu stecken.
Mit schwerer Bergsteiger Sturmkleidung nehme ich das Rennen, nun schon leicht gegen den Wind, wieder auf. jetzt ist mir warm, kann mich aber in der dicken Kleidung kaum aufs Rad falten, und schon gleich gar nicht mehr vernünftig treten. aber ich rolle wieder.

Und das ist vormals das Wichtigste. Meherer Fahrer haben bereits aufgegeben. Der Veranstalter hat in Abstimmung mit den RAAM Organisatoren das Bonbon, so man es so nennen darf, ausgegeben, daß aufgrund der katastrophalen Bedingungen jeder Finischer eine Qualifikation erhält ! Also, auf keinen Fall aufgeben.

Irgendwo im Mittelfeld bin ich durch die dauernden Handschuhwechseldich Prozeduren und den langen Umziehstopp an TS 1 gelandet. Aber mir ist jetzt warm und wie gesagt, wir rollen cm um cm dem Ziel entgegen.

Tief hängen die Wolken, als wir den Lake Meredith passieren. Aufgepasst ! Die Brücke über das Bächlein ist eisig ! Der Wind nimmt nun auch immer mehr zu und wächst sich, nachdem wir die 2 te Zeitstaion nach ca, 130 Meilen in Elektric city passiert haben auch noch zum Sturm aus. Dummerweise geht die Fahrt auf der 207 er jetzt auch noch schnurgerade nach Nord Osten, genau in den Wind. Ich kann nur noch einen 39 - 18 er in der Ebene treten, der Tacho zeigt bei voller Kraftanstrengung gerade mal mickrige 16 km an !!
Ich verliere jetzt weiter Boden auf meine Konkurenten, die irgenwie gegen dieses Gebläse wesentlich schneller fahren können.
Wir passieren Miami, jedoch von Sonne keine Spur. Aber der Schnee geht wieder in Regen über, und kurze Zeit später dreht dann auch die Route bei Ihrem Kurs durch gottverlassene "Käffer" wie Mobete und Weeler wieder etwas aus dem Wind - wir fahren jetzt nach Südosten.

Die erste Nacht: Lichtmontage ! Das hält uns nicht wesentlich auf. mir geht es gut. Total alleine in der Weite von Texas setzen wir unsere Fahrt fort. Von den Konkurenten kriegen wir keinen zu Gesicht - die sind entweder meilenweit voraus oder eben auch meilenweit zurück.

Als wir nach Mitternacht in Shamrock an der Interstate 40, nach 273 Meilen einrollen - Halbzeit ! - suchen wir , wie alle anderen auch sogleich das Motelzimmer auf, welches die Rennorganisation für die Fahrer gemietet hat. Und da sind sie auch die Anderen. Aber nicht so viele mehr. Meherere haben jetzt schon die Segel gestrichen.

Der Ire John Bailey hat Fieber und legt sich nach eine Dusche erst mal schlafen. Wir essen einen Bissen und wechseln das Outfit. Es hat jetzt aufgehört zu regnen, so daß jetzt normale Winterkleidung genügt, um den ca. 4 Grad zu trotzen. Nach einer halben Stunde rollen wir wieder! Und sind jetzt auf Platz 3. Vor mir nur noch ca. 3 Stunden voraus Rick Kent aus Texas, mehrfacher RAAM Finischer ( 4. Platz ! ) und auch frisch gebackener 24 h Weltrekordler ( 504 Meilen = ca. 808 km ) und Dan Wood aus Seattle. Dessen Crewchief Estelle Gray hat an der Zeitstation in Shamrock mein Fahrrad geölt und gepflegt, da meine Begleitmannschaft ja mit Fahrrädern ganz und gar nicht vertraut ist. Klasse ! Im Nachhinein nochmals Danke liebe Estelle !
Jetzt windet sich die Route auf kleinen Farmroads durch die typische texanische Landschaft: offene, weite, grüne Graslandschaften, durchsetzt mit "rolling hills". Die Dinger kosten mich ganz schön Power -davon habe ich jedoch noch mehr über als die Wettbewerber, da ich auf den irrsinnigen ca. 200 km gegen den Sturm etwas verhaltener gefahren bin und nicht gleich razeputz alle meine Körner verpulvert habe ! taktisch ( allerdings wohl eher Zufall ) clever gemacht lobe ich mich, als ein wildes Gekläffe mich kurz nach der Passage von Turkey aufschreckt. Wieder einmal attackieren diese dummen Köter !! nur durch das geschickte Manovrieren des PSV s zwischen mir und der Bestie kann diese vertrieben werden.

In Flomot fahre ich dann auf Dan auf. Platz 2. Dan hat geschwollene Knie, die ebenso nach Behandlung schreien, wie meine langsam anschwellenden Füße und Knöchel. Auch wenn es jetzt trocken ist und auch die Temperatur wieder zweistellige Werte angenommen hat, so stecken meine Tretwerkzeuge, in Ermangelung eines zweiten Paares Schuhe zum Wechseln, immer noch in den klatschnassen, kalten Latschen. Estelle verabreicht mir Eisspray und eine grausam stinkende Salbe, welche aber guttut.

Der Sturm, welcher mit der Schlechtwetterfront einherging, ist inzwischen zu einem sanften Lüftchen verkommen - dennoch schiebt er ein bisschen an bei unserem Weg wieder gen Westen - wir passieren Quitaque (TS 4) nach 366 Meilen und Matador (TS5) nach 401 Meilen ohne besonderen Vorkommnisse.

Jetzt auf dem etwas größerem Highway # 70 haben wir etwas mehr Gesellschaft von Automobilisten, welche aber Alle sehr rücksichtsvoll agieren ! (deshalb wohl auch "bike friendly Texas" ??!!).
Pling !!! .... das Vorderrad eiert gleich mächtig. Eine der gewellten Speichen in meinem Vorderrad ist gerissen. Ersatz habe ich 3 Stück an meine Pumpe geklebt. Den Wechsel muß ich selbst vornehmen, ist aber in ein paar Minuten problemlos erledigt.....und weiter !
Plainview, die einzige größere Ansiedlung von Menschen entlang der Strecke ( ist eine richtige große Stadt entgegen den auf der Karte "riesigen" Orte, welche dann mit einer Einwohnerzahl meist unter 100 protzen, ebenso wie mit Durchgangsstraßen von zum Teil über 50 m !!!!!!!! Breite - Memphis, TX ist zB. so ein Wunderwerk ), TS 6, passiere ich auf Rang 2. Ca. 3,5 Stunden vor mir rangiert noch Rick Kent, dessen Vorsprung allerding nicht mehr wächst - jedoch werde ich müder und langsamer und Dan hat sich wieder erholt und kommt mir von hinten näher !

Rechts aus dem Straßengraben gestikulieren die beiden Race officials wie wild - Rang 1 ! Was war geschehen ? Rick haben sie erwischt als er hinter dem Pacecar im Windschatten gefahren war und, nachdem bereits während des ganzen Rennens der Verdacht bestanden hat, es seither nur nicht bewiesen werden konnte, er sogleich disqualifiziert und aus dem Rennen genommen wurde.
Voller Euphorie fahre ich weiter, aber es geht mir schlecht. Die Kräfte nach über 500 meilen nonstop schwinden, die Müdigkeit steigt nach über 36 Stunden im Sattel geradezu lähmend in mein Hirn, ich blute mitlerweile aus der Nase links und jetzt muß ich um des Himmels willen auch noch aufs Klo. Ganz unerschrocken halten wir an der nächsten Farm an und biten um Einlaß.
Wir werde auch gleich zum Kaffee eingeladen !! Nein sagen, gilt hier nicht ! Wollen wir auch nicht ! Die Verweilsdauer bei diesen neueun Fans (Wir haben erzählt was wir so gerade machen) ist allerdings kurz.

jetzt geht es gleich viel besser. Die Strafe folgt jedoch auf dem Fuße - Rechts fängt es jetzt auch noch an zu bluten. Sieht ganz danach aus, als ob ich mir hier in Texas wohl etwas zuviel zugemutet habe. Ich ersticke fast bei dem ganzen Blut, das mir in den Rachen "schießt" und kann kaum atmen. Wir müssen anhalten und schauen, daß das "Saften" aufhört.

Zisch !! Dan braust vorbei ! Mist !

Eine halbe Stunde später nehmen wir die Fahrt wieder auf. es läuft wieder - und das dabei besser als je zuvor. Als wir den Palo Duro Canyon, den zweitgrößten Canyon der Vereinigten Staaten auf der South Rim hinunterbrausen (300 Höhenmeter) fängt es an zu dämmern. Die zweite schlaflose Nacht steht uns bevor.Der Sohle des Canyon ist im fahlen Licht des scheidenden Tages schnell durchquert und jetzt geht es auf der North Rim wieder hinauf. Mit meinen 39 - 20 (größere Ritzel habe ich nicht an Bord) habe ich hier an diesem 10 % er ganz schön zu kratzen. Aber Dan hat es noch schwerer und 5 Meilen nach der Scheitelhöhe passiere ich den vollkommen ausgepowerten Dan erneut und fahre in die Führungsposition. Mit etwas Rückenwind will ich jetzt nichts mehr anbrennen lassen - mobilisiere alle noch irgendwie zur Verfügung stehenden Energieen und hobele die restlichen 80 km in unter 3 stunden herunter. Es ist fast 2 Uhr als wir in Canyon einfahren.

Beim ersten Start unter diesen Bedingungen gleich den ersten Platz zu belegen ist schon klasse. Damit ist es mir als erstem Deutschen überhaupt gelungen ein Ultraevent zu gewinnen !

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