Freitag, 10. April 2009

Ab durch die Mitte...-2-

auf dem Stuart Highway nonstop durch Australien 2006

...kleine Pausen sind dennoch nötig.

Brennt doch die Sonne einer riesigen UV-Kanone gleich vom Himmel und nötigt zu vollständigem Schutz meiner empfindlichen Haut, will ich nicht einem Weißbrot gleich im Toaster enden. Langarmtrikot und „zentimeterdick“ aufgetragene Sonnencreme auf den Beinen ist unsere passende Antwort auf die gefährliche Vorgabe unserer jetzigen Umgebung.
Sonnencreme satt...


Die ist im Wesentlichen sehr einfach zu beschreiben.
Im Längsprofil: links eine rote Sand- oder Steppenlandschaft mit schütterem Baumbestand und einigen vertrockneten Sträuchern, daran anschließend eine ca. fünf bis zehn Meter breite Zone als Seitenstreifen aus hart gewalztem roten Sand, dann die Fahrbahn, und das ganze vice versa auf der rechten Seite. Und das über mehrere Kilometer.
Über mehrere hundert Kilometer!
Steht jedenfalls zu erwarten. Oder auch zu befürchten?
wie auch immer, es ist Realität!
Das müssen wir erst sehen.
Bisher ist es mir ganz gut gelungen mich auf diese fünfte Dimension einzulassen. Die drei Raumkoordinaten sind klar, wir bewegen uns ja, vom Weltraum aus betrachtet, in einem beweglichen Koordinatensystem, unserer rotierenden Erde, von einem Punkt zum anderen. Gleichzeitig verändert sich dabei Koordinate Nummer vier , also die Zeit. Die schreitet ja dummerweise voran und läuft uns bei unserem Vorhaben davon.


Die fünfte Koordinate, oder die fünfte Dimension, die unabhängig davon ist, gleichzeitig aber in die raumzeitliche Veränderung der verbleibenden vier Dimensionen eingreift, ist die Eintönigkeit und damit auch die damit einhergehende Einsamkeit. Es ist ein Paradoxon, in der Hektik des Alltags unserer Tempogesellschaft festgenagelt, sehnt man sich nach Ruhe, Stille und Einsamkeit, um sich zu sammeln und Kräfte zu tanken.
Ist man erst mal in dieser Einsamkeit, dieser fünftem Dimension gefangen, sucht man gerade das Gegenteil. Das Gegenteil, welches man nun augenblicklich nicht erreichen kann.


Definiert man es nüchtern und emotionslos, strebt man wohl immer das an, was man gerade nicht hat oder erreichen kann.
Mir macht es Spaß mich mit diesen psycho- physiklalischen Begebenheiten zu befassen. Dabei verstreicht die Zeit wie im Fluge und es dämmert bereits. Der erste Tag neigt sich also dem Ende zu und die erste schlaflose Nacht steht bevor.


Hier in den niederen Breiten gibt es eigentlich keine richtige Dämmerung. Dieser „Verdunkelungsprozess“ der Landschaft geht sehr schnell, dem Ausknipsen eines Lichtes mittels Schalter nicht unähnlich, vonstatten.
Kaum strebt die Sonne dem Horizont zu, verwandelt sie die im kalten, harten, weißen Tageslicht konturlos erscheinende Umgebung mit den sanften Rot- und Orangetönen des Sonnenuntergangszeitraumes in einen wahren, warmen Formen- und Farbenrausch. Dann ist die Sonne auch schon hinter dem Horizont verschwunden und die Dunkelheit ergreift von der Landschaft Besitz.
im letzten Tageslicht Irgendwo im Nirgendwo der Australischen Weite
Jetzt erwacht auch das Tierleben.
Überall beginnt es zu zwitschern und zu piepsen, zu grillen und auch zu ächzen.
Geradezu geheimnisvoll. Das Konzert der Natur ist nur zu hören, zu sehen ist rein gar nichts.
Nur die weitreichenden Lichtkegel der Scheinwerfer des nachfolgenden Campers bohren einen Tunnel, in welchem ich mich fortbewege in die pechschwarze Nacht. Immer kühler wird die Nacht und im Morgengrauen sind wir bei einstelligen Temperaturwerten angelangt.
radfahren in der Nacht


Kurz bevor die ersten 24 Stunden rum sind, belohne ich mich nach 600 km Fahrtstrecke mit einem ersten Nickerchen von knapp einer Viertel Stunde.


Der Zweite Tag ist ein Abbild des ersten.


Unterschied: Weniger Verkehr, langsamere Geschwindigkeit.
Die Zweite Nacht wird dann anfangs ganz hart.
Kein Wunder. Bereits mehr als eineinhalb Tage kämpfe ich mich durch diesen riesigen „Eucalyptusteller“ (=Australien). Vermisse aber bisher ganz klar den Geschmack.
Auch eines dieser grünen Bonbons wird da nicht weiterhelfen, so dass ich mich weiter lieber an Cola und allerlei ramschigem Süßkram, wie Schokoriegeln, Gummibären und auch Marshmellows gütlich halte.
Nach der ersten richtigen Schlafpause nach 42 stunden (1 Stunde und 30 Minuten) geht es mit Körper und Psyche dann wieder richtig voran. Jetzt scheint auch der Wetterbericht, welcher die ganze Zeit von Nordwind sprach (= Rückenwind) mit der Wirklichkeit zu korrelieren. Mit dem Gebläse im Rücken weicht auch die Unentschlossenheit wieder aus unserer kleinen Mannschaft und jeder stemmt sich noch mehr ins Geschirr.
Auch als der Wind dann nach ca. 3 Stunden zum Seitenwind wird, lassen wir uns vom positiven Flow dieses Tages nichts mehr nehmen. Stur bleibt die Scheibe und die Hochprofilfelge im Rad montiert und lässt mich zwar etwas auf Zickzack Kurs über die Fahrbahn schlingern oder besser segeln, aber dieser Vorwärtsdrang bleibt nicht nur, er scheint noch zu wachsen.




bei allem Erfolg dieses Tages...Kühlung tut not ! Eis für Füße und den Magen...oder für die Psyche??


Ob dies nur eine in die Wirklichkeit hineingeträumte Wunschvorstellung, oder reale Wirklichkeit ist, können wir am Spätnachmittag im Roadhoase von Ti Tree ganz einfach überprüfen: Fast den ganzen Rückstand auf unsere imaginäre Marschtabelle, welchen wir uns in den ersten beiden Gegenwindtagen eingefangen haben, konnten wir heute wieder egalisieren. Klar, doch, dass wir uns da mit einer Riesenportion Pommes belohnen.


Der ominöse Halfway Point, schätzungsweise in oder um Alice Springs gelegen ist nun unser nächstes Ziel für die in ca. eineinhalb Stunden über uns hereinbrechende, nunmehr die dritte Nacht....


Klatsch!
Etwas rumpst gegen meine vordere Felge, dreht diese nach rechts. Das Rad baut sich auf und wie ein wilder Gaul wirft mich das Carbonkamel ab und lässt mich sehr unsanft mit der linken Schulter auf dem Asphalt der Fahrbahn landen. Ein kurzer Versuch aufzustehen verdeutlicht schnell, dass hier das Radabenteuer ein Ende gefunden hat – das richtige Abenteuer, aus dem Nirgendwo des Outback wieder heim und zu einem wieder einigermaßen gesunden Menschen zu werden, nun, das war in der ganzen Dimension hier auf der heißen Herdplatte des Stuart Highways liegend, zum Glück noch gar nicht abzusehen.



Infos:
Der Stuart Highway zerschneidet Australien wie mit dem Messer durchzogen von Nord nach Süd. Er ist die einzige asphaltierte Verkehrsverbindung im Outback und die Hauptverkehrsader des Landes. Gleichzeitig ist das Verkehrsaufkommen im Wesentlichen sehr gering. Nicht zuletzt deshalb ist der Stauart Highway auch das Ziel für den ambitionierten Touren- und Rennradfahrer. Viele Hunderte haben sich dieses grandiose Abenteuer, meist von Roadhouse zu Roadhouse bereits gegönnt.
Lebenswichtiger Tipp: Viel Wasser mitnehmen!!
Die Luft ist extrem trocken und hat man erst mal den Wind „im Gesicht“ geht es nur noch sehr langsam voran und die Entfernungen wachsen und wachsen. Wohl dem der da genug zu trinken hat.
Ca. Alle 100 km gibt es eine Wasserstelle oder ein Haus oder eine Tankstelle.(vorher unbedingt erfragen!) Dazwischen ist rein gar nichts – außer eben Natur!!
Australien ist ein sehr heißes Land. Auch im Winter muss man mit Temperaturen von deutlich über 30 Grad im Outback rechnen. Wem es nichts ausmacht, dass es nachts im Winter empfindlich kalt wird, sollte über den Südwinter als Reiszeit nachdenken.
Und, Sonnenschutz nicht vergessen. Entweder verhüllen oder schmieren!
großartige Eindrücke und Weite, ob "unten" oder, wie hier, "oben" gibt es reichlich - gratis!

hier weiterlesen mit dem Interview danach
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