Donnerstag, 12. März 2009

AUSTRIAN 500, 1995

Europa hat den ersten RAAM Qualifier

... erstaunt und begeistert vernehme ich diese Nachricht dem ULTRA Magazine. Klar, daß ich da - das Rennen soll über ca. 800 km von Bregenz in Vorarlberg quer durch die Alpen und dann der Donau entlang bis in die Österreichische Hauptstadt Wien führen, so quasi vor meiner Haustüre, teilnehmen will. Das Rätsel, war der Erfolg beim TNT ein Jahr zuvor nur Zufall oder Stand meiner Leistungsfähigkeit ??, soll bei dieser Fahrt Ende Mai 1995 seine Auflösung finden.

Am Morgen des 18.05.1995 hole ich Georg Bartenschlager bei strömendem Regen am Bahnhof in Nürtingen ab. Georg wird zusammen mit meiner Schwester Barbara und meinem Vater die Begleitcrew bilden. Als Begleitfahrzeug haben wir uns einen FORD Transit gemietet - und die Sitze weitgehend entfernt, um all das Equipement, jede Menge Ersatzwäsche und die gesamte Ernährung, welches in diversen leeren Bananenkartons verstaut wurde übersichtlich unterzubringen. Immerhin müssen in Ermangelung von geeigneten Radträgern auch noch 3 Rennräder im Innenraum Platz finden

Durch das oberschwäbische Hinterland fahren wir bei welchselhaftem Wetter, welches auch noch in den nächsten Tagen anhalten soll nach Lindau, wo wir unser Nachtquartier beziehen. Am Abend lassen wir dann die Einschreibeprozedur über uns ergehen und warten gespannt auf den nächsten Morgen.
Das Teilnehmerfeld ist mit fast 60 Einzelstartern erstaunlich groß - die meisten Teilnehmer rekrutieren sich aus der Triathlonszene - Holger Lorenz, Lothar Leder, Martin Feijen, Matthias Willner, Wolfgang Erhardt, um nur die namhaftesten zu nennen geben sich ein Stelldichein. Auch der Schweizer Bruno Heer (RAAM Finischer auf Platz 5 !!!) mischt sich unter die Teilnehmer.

Der Morgen des Freitags ist von heftiger Geschäftigkeit geprägt - Alles muß jetzt seinen endgültigen Platz finden und auch die Räder sollen auf prallen Reifen stehen - es wird also fleißig gepumpt.
Michael Schermer, der RAAM Direktor, welcher aus Amiland herübergekommen ist, um sich die erste Europäische Veranstaltung dieser Art anzuschauen und auch über die Einhaltung der speziellen RAAM Regularien wachen wird, wünscht mir noch viel Glück vor dem Start (mein Erfolg in der Schneeschlacht im Jahr zuvor beim Qualifier in Texas hat bei den Amerikanern wohl ganz schön Eindruck gemacht).

PENG... Es geht los - und das gleich mit einem Höllentempo. Die Herren Triathleten machen sich auf ihren Maschinen flach und brettern mit deutlich über 40 km/h durch das Rheintal. Durch den Haufen Ampeln, das Tempodiktat an der Spitze, sowie den Geschäftsverkehr ist das Verkehrschaos vorprogrammiert. Nur einigen eher rücksichtslosen Crews gelingt es relativ früh schon Kontakt zum eigenen Fahrer herzustellen. Wir werden erst kurz vor dem Tunnelportal des Arlberg wieder zusammentreffen - In der Vermutung einer solchen Situation habe ich mir gleich ein paar Cornys in die Trikottaschen gestopft, welche dann nach 80 km bereits den Weg in meinen Verdauungstrakt gefunden haben.
Den Arlberg können wir nicht überfahren - der dauerhafte Regen der letzten Tage hat zu einem Bergrutsch geführt - die Strasse über die Scheitelhöhe des Arlbergs ist gesperrt. Es folgt also der Transfer im Auto durch den Arlberg - nutze ich gleich zum Essen und Umziehen - es hat inzwischen immer mal wieder ein bisschen geregnet.

Auf ca. dem 17.ten Platz befinden wir uns ! eigentlich hätte ich mich weiter vorne erwartet. Die Fahrweise einiger Konkurrenten auf den letzten Kilometern berauf vor der Zeitstation hat mir allerdings schon gezeigt, daß da noch viele platzen werden !

Wir wechseln auch gleich das Fahrrad und ich benutze das Teil mit dem Trialenker. Bei leichtem Gegenwind fahren wir durchs Inntal mit seinen vielen Ortschaften und auch ätzend vielen Ampeln. Die Streckenführung auf der Bundesstrasse ist zwar von der Navigation her ok, jedoch organisatorisch sicherlich nicht der Weisheit letzter Schluß - der viele Verkehr ist durchaus dazu angetan, zumindest bei mir, den Spaß am Radeln wesentlich zu schmälern.

Innsbruck - zur Mittagszeit - Wahnsinn. Wir sind leider nicht so clever - oder auch dreist, statt der Fahrt mitten durch die Innenstadt die , allerdings nicht erlaubte, Umgehung (ampelfrei) zu benutzen ! Mühsam "sammle" ich jetzt in den nächsten Stunden wieder bereits überholte Fahrer um Fahrer ein.

In Wörgl, nach knapp 270 km geht es mir irgendwie immer noch blendend. ich habe mich mit meiner Situation arrangiert und fahre rhythmisch mein eigenes Tempo, dem immer mal wieder ein vor mir liegender Fahrer zum Opfer fällt. Auf dem Weg nach Kitzbühl, durch den Wilden Kaiser, wird der Verkehr echt zum Problem - es ist jetzt Freitag Nachmittag - sowohl die LKWs als auch die Wochenendurlauber aus den Großräumen Innsbruck und München haben wenig Verständnis für einen Radfahrer auf "Ihrer" Strasse. Da kommt eine Pause gerade recht - haben wir uns doch jetzt immerhin auf den 11. Platz vorgearbeitet und verpacken uns gleich trocken in der Regenkluft.
Nebenher, Time is Money, wird auch die Maschine Mensch mit Treibstoff versorgt. Aufbauend aus den Erfahrungen, welche ich bei meinem Debut vor ca. einem Jahr beim TNT, meinem ersten Ultra event sammeln konnte besteht unsere Ernährung aus diverser "Mischkost" wie Nutella, Erdnussbutter, Hefezöpfe, Kekse, Marshmellows, Gummibären, Cola, aber natürlich auch frischem und getrocknetem Obst, sowie diversen Säften, Wasser und auch Milch als Getränken. Für Abwechslung ist also gesorgt - was darf es denn sein ?
Trocken und satt nach einer knappen Viertelstunde Rast nehmen wir die Fahrt wieder auf.


Immer mehr steigert sich das anfängliche Getröpfel zum Geprassel. Mir ist warm, so komme ich zügig voran und "schlucke" den Pass Thurn ohne ernstzunehmende Probleme. Kälter ist es auch geworden - vereinzelte Schneeflocken mischen sich in den Regen. Meine Hände jedoch sind trocken - sie stecken in Gummihandschuhen ! "Das habe ich mir mal wieder fein ausgedacht" grinse ich in mich hinein und donnere, dergestalt warm verpackt nach Mittersill hinunter und zische an Konkurrenten vorbei, die wie Espenlaub zittern. Im Regen kann Regenkleidung nicht schaden - das Rennen ist nicht 40, 90 oder 180 km lang, nein, sondern 800 km von denen mittlerweile fast die Hälfte gemeistert ist.
Die Strecke ist ob der Tatsache, daß sie auf Bundestrassen weitgehend in den großen Tälern der Österreichischen Alpen verläuft jedoch wesentlich einfacher als erwartet.

Mitten in der Nacht haben wir Halbzeit ! Schwarzach ist erreicht - Kleiderwechsel - Alles ist nass! Aber wir sind jetzt schon auf Platz 7. Nach einer Kaloriendusche geht es wieder besser und wir nehmen den Pass Gschütt hinüber ins Salzburgerland in Angriff. Immer wenn es berauf geht " fallen einem die bereits ermatteten Radfahrer wie reife Früchte entgegen". Auch bergab kennen wir kein Pardon.
Die Seen im Salzburgerland können wir nur erahnen, denn Tag wird es erst wieder, als wir uns der Donau bei Enns nähern. Aufgehört zu regnen hat es jetzt auch. Prima. Das weckt unsere Lebensgeister. Von jetzt an kann eigentlich wenig mehr schief gehen - wir folgen der Donau - knapp 200 km noch. Wind kommt jetzt in den frühen Morgenstunden auch wieder auf. Und, er trocknet erstens wieder die Strassen ab und zweitens sorgt er , da von Westen, also von hinten kommend für ein bisschen Schub. Mit frischen Kleidern geht es jetzt mit knapp über 30 km/h der Uferstrasse der Donau entlang.

HALT ! Was soll denn das ? Ein Polizist hält uns an und verweist uns auf die Nebenstrasse. Er will nichts von einem Rennen hier gewusst haben, welches die Radfahrer berechtigen soll die Bundesstresse zu benutzen. Die Gendarmerie lässt nicht mit sich verhandeln - wir rumpeln jetzt auf der alten zum Teil gepflasterten Strasse durch die spektakulär in der Wachau liegenden Orte wie Spitz, Dürnstein etc.

Auch hier werden wir Opfer einer ungenügenden Organisation - Wie schon in Innsbruck geht hier mal wieder gut ne halbe Stunde den "Bach runter". .. Die Spitze ist so durchgekommen. Der Abstand vergrößert sich also wieder.
Interessanterweise muß ich manchen Konkurrenten jetzt schon zum wiederholten Male passieren - und verbessere meine Platzierung dennoch nicht. Wir waren immer auf der Strecke und seit der Halbzeit in Schwarzach hat mich keiner mehr überholt - auch nicht passiert als wir kurz an den zwei Zeitstationen hielten.
So ist das eben !

In Krems trennen wir uns dann vom flachem Terrain am Ufer der Donau. Jetzt machen wir die Hügel , welche sich uns auf dem Weg nach St. Pölten entgegenstellen platt !
St.Pölten- links - nach Wien - bald ist es geschafft. nach 27 h und 28 min treffen wir am Ziel am Wiener Stadtrand ein. Platz 5. Sozusagen als Tour d' honeur fahren wir dann in die Stadt hinein bis zur Lugner City.

Kann man mit diesem Ergebnis zufrieden sein ? Nein ! Die Leistung hat gepasst - leider haben die Begleitumstände dafür gesorgt, daß es nicht auf das Stockerl gereicht hat, welches durch Leder, Fasching und Wieser hochkarätig besetzt war.
...Aber ich weiß jetzt, daß Texas 1994 kein Zufall war und das mit mir noch zu rechnen sein wird !!
Ach und nochwas .. Michael Schermer als neutraler Beobachter ist das auch aufgefallen, daß man es da mit dem Regelwerk nicht ganz so eng gesehen hat - die Veranstaltung verlor dadurch wieder ihren Status als European Qualifier und verschwand hernach auch wieder in der Versenkung !

Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle noch bei
Blumen & Früchte KIRCHGEORG, Oberlenningen
für die Versorgung mit "Vitaminen" von Crew und Fahrer


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