Mittwoch, 29. Juni 2011

neue Zeitrechnung

Das'n Ding...
ein Blick in die Geschichte der Menschheit zeigt. Irgendwann ist es soweit - eine neue Zeitrechnung beginnt.
Man definiert dann: ante...(also davor) und past... (also danach)
von unserem Kalender kennen wir das ja: vor Christi Geburt und danach...
Und im Radsport, genauer, im Extrem- oder Ultraradsport wurde dieser Tage ein solcher wichtiger Wegpunkt markiert - von Jay Petervary auf der Original Route des diesjahrigen RAAM (RaceAcrossAmerica)
Bravo! ...oder wow! ...ich sage: na endlich!

Ihr wisst ja, dass ich mich schon seit einiger Zeit der freiwilligen Materialbeschränkung unterwerfe, welche ein klares solo unsupported postuliert. Und genau nach diesem Prinzip ist Jay dieses Jahr das RAAM gefahren und hat in einer Hammerzeit von 12 Tagen 13 Stunden und 30 min für die 2.985 Meilen gefinisht!!

Das jetzt irgendwie zu erklären, das spar ich mir, denn diese Zahlen machen sprachlos.

Werfen wir aber doch mal kurz einen Blick zurück in die Geschichte. In den Anfangsjahren des RAAM, also den frühen 80 ern, war man noch nicht so sicher wie das denn alles am Besten geht - Jeder hatte in der Anfangszeit so sein eigenes Rezept. Mal mehr Unterstützung, mal weniger, mal mit Medizin und "haufenweise" Material Logistik, wie heute gemeinhin üblich, oder auch mit Minimalaufwand.

Die Tatsache, das ich 2001 mit einem der geringsten Budgets in der Geschichte RAAM finishen konnte (auf Platz 5 und Rookie of the year), dennoch aber 6 Begleitpersonen und 2 Autos im Einsatz hatte, zeigt, dass hier noch Potential da war und ist...aber:

1982 machte sich ein schneidiger Kanadier, Wayne Philipps auf und durchquerte sein Heimatland von West nach Ost, solo unsupported, in einer bemerkenswerten Zeit von unter 3 Wochen (für die mehr als 6.000 km).
Das war dem Wayne nicht genug - er hatte "Blut geleckt" und nahm sich dann die Kontinentaldurchquerung der Staaten vor. Das sollte beim RAAM 1985 geschehen. Wayne fuhr komplett solo und konnte sich recht gut im "Pack" behaupten, wurde aber leider Opfer eines tragischen Unfalls, bei dem er in der Nähe von Tucumcari in New Mexiko von einem Truckdriver (absichtlich!!!) überfahren wurde. Wayne ist seitdem Querschnitsgelähmt und konnte seine Pläne nicht mehr realisieren.

Die Raceorganisation reagierte, wie man heutzutage eigentlich immer auf Unfälle reagiert - man schrieb eine Begleitung zwingend vor, also man versuchte durch mehr Kontrolle, mehr Technik, mehr Support Dinge, die im Bereich des bösen Zufalls liegen zu beherrschen.

Das wird sicher nie gelingen. Denn es gibt Ereignisse, welche man ganz einfach als tragisches Schicksal hinnehmen muss! Denn, wir alle wissen, nicht erst seit diesem Frühjahr: mit Technik und viel Aufwand lässt sich nichts beherschen - und frei nach Murphy - was schiefgehen kann - sei es auch noch so abstrus - das wird auch irgendwann einmal schiefgehen.
Es gab aber trotz dieser Massnahmen mitlerweile auch bereits tödliche verlaufende Kollissionen mit Kfz während des RAAM. (eben! - s.o.)

Aber, zurück zur Geschichte - seit damals, also seit 1985 wurde kein signifikanter Versuch mehr im Beriech des solo unsupported unternommen.
Ich dachte bereits vor einigen Jahren auch darüber nach selbst - also ohne offizielle Registrierung - diese Geschichte im Vermächtnis Wayne Pgilipps' in Angriff zu nehmen....
...zog aber zurück, da ich ganz einfach Angst hatte - ich fühlte mich nicht stark genug, auch mental in der Bullenhitze des amerikanischen Sommers das ganze Land "zu verspeisen". Ich war, gerade auch mental, vielleicht schon zu alt dazu. Aber das ist ja nicht schlimm - dann bleibt auch noch Raum und genug "Spielwiese" für die nachfolgenden Generationen - irgendwann werden Jüngere Atlethen nachkommen, die unerschrockener, leistungsfähiger sind, und für uns unlösbare erscheinende Probleme lösen....
und es wäre doch wirklich kleinlich und auch unfair, einem Raub an der nächsten Generation gleichkommend, wenn ich Probleme lösen werde, welchen ich eigentlich nicht geachsen bin, nur in dem ich sie mit Einsatz von Technik auf ein Mass reduziere, so dass ich sie noch lösen kann. Das ist dreist.
Dann muss man eben üben und so lange warten können bis man so weit ist mit seiner Leistungsfähigkeit - und wenn es zu hoch ist , das Ziel, nun, dann muss man sich eben ein Kleineres suchen, welches zu einem selbst besser passt.

Also lieber Jay Petervary, und auch alle Freunde und (neudeutsch) Follower der solo self- oder auch unsupported Bewegung. Wir beginnen jetzt nach diesem Husarenritt des Amerikaners bei 0 zu zählen und alles was bisher war : ist vor und alles was jetzt kommen mag soll das danach sein...

Ich freue mich auf jeden Fall schon über ein Wachsen dieser Bewegung, welche in Deutschland am Besten zur Zeit bei Der Grenzsteintrophy manifestiert ist.

Jetzt haben wir wie schon beim Bergsteigen die Möglichkeit zu unterscheiden: Berg bestiegen, oder nur oben gewesen.
Ich selbst habe fast alle Viertausender der Alpen bestiegen, Bergsteigen ist mein großes Hobby, aber schaut man genau hin, dann sage ich,
Ich war auf vielen Bergen oben, aber ich habe sie nicht bestiegen!

Denn, bestiegen habe ich einen Berg für mein Dafürhalten nur dann, wenn ich von der letzten dauerhaften menschlichen Siedlung den Aufstieg aus eigener Kraft vollende (ohne Seilbahn etc.)

Diese Unterscheidungsmöglichkeit gibt es jetzt auch im Extremradsport.
Jay ist also der erste echte RAAM Finischer (auch wenn er über dem Zeitlimit gelegen wäre).
Wo ist der erste Finischer der RATA, des racearound Austria, des.....die Liste ist ja schier endlos, da Extremradsportveranstaltungen gerade boomen - wohl natürlich auch, da man eigene "Nichteignung" eben bisher durch den Einsatz an kostspieliger und umfangreicher technischer, medizinischer und monetärer Hilfe extrem in der Auswirkung auf das Ergebnis mildern kann.

Hier noch ein Bild von unterwegs http://www.flickr.com/photos/noidletour/5855279552/
Und das soll doch nicht sein.
Es wird eine spannende Zeit (hoffentlich) hereinbrechen - den Wegbereiter, der uns gezeigt hat : es geht - den gab es jetzt
Also gilt die Ausrede: "das geht doch nicht" von jetzt an nicht mehr.

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